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Die Geschichte der Hindenburgbrücke - 2

 

Die Geschichte der Hindenburgbrücke Teil 2

Aus: Nachrichten der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e.V., 1982, Nr. 49

Veröffenticht in den Rheingauischen Heimatblättern
1 / 1991

Beschreibung der Hindenburgbrücke und der von ihr ausgehenden Strecken

Die Hindenburgbrücke überquerte zwischen Bingen-Kempten und einem Punkt östlich von Rüdesheim den an dieser Stelle etwa 900 m breiten Rhein. Sie stützte sich auf sechs Flußpfeiler, von den einer auf der Ostspitze der Rüdesheimer Aue, einer Rheininsel, stand. Die beiden Hauptöffnungen über dem Strom waren Bogenfach-werkträger von je 169,4 m Stützweite. Sie ragten auf jeder Seite 7,7 m in die Nebenöffnungen vor, wo parallelgur-tige Überbauten von je 77 m Länge eingehängt waren. Diese Überbauten stützten sich auf den Landseiten auf die Pfeiler der Vorflutöffnungen: Zur Strommitte hin waren sie in einen wei­teren parallelgurtigen Überbau von 94,2 m Stützweite und jeweils 7,85 m Überkragung eingehängt. Die Ge­samtlänge der Flußüberbauten betrug somit 787,5 Meter. Auf dem linken Rheinufer schlössen sich fünf, auf dem rechten Rheinufer vier massive, ge­mauerte Gewölbe von je 24 m lichter Weite an. Mit einer Länge von etwas über 1000 Metern einschließlich der Flutöffnungen war die Hindenburg­brücke nach der Rheinbrücke bei Wesel, welche einschließlich der Flu­töffnungen 1933 m maß, die zweit­längste Rheinbrücke. In der Lokal­presse wurde siefälschlicherweise als die längste Eisenbahnbrücke der Welt bezeichnet.

Die Flußpfeiler hatten eine Länge von 20 m und eine Breite von 6 m, ihre Fundierung erfolgte durch Senkkästen (vergl. Jahrbuch für Eisenbahnge­schichte 1980: Bau und Montage von Eisenbahnbrücken in alter und neuer Zeit).

Auf der Hindenburgbrücke wurden zwei Gleise verlegt. Bei der Blockstel­le Hindenburgbrücke am nördlichen Brückenkopf teilten sie sich in zwei ebenfalls zweigleisige Streckenäste auf. Die Verzweigungsweichen befan­den sich schon auf den Flutbögen. Auf hohen Dämmen verliefen die bei­den Streckenäste in Richtung Rüdes­heim und Geisenheim, wo sie bei den Blockstellen Floß bzw. Kellergrube in die rechtsrheinische Strecke einmün­deten.

Linksrheinisch wurde hinter dem süd­lichen Brückenkopf die Strecke Mainz - Bingen überquert, dann ging es auf einem hohen Damm in gerader Linie bis zur Blockstelle Rochusberg, wo sich die Strecke ebenfalls in zwei zweigleisige Äste aufteilte. Die Trasse in Richtung Bad Kreuznach schwenk­te nach Südwesten ab, verlief süd­lich des Rochusberges in einem Ein­schnitt, passierte die beiden Ortschaf­ten Büdesheim und Dietersheim und mündete nach Uberquerung der Nahe bei der Blockstelle Sarmsheim in die Nahestrecke ein. Der andere Streckenmast mündete nach einem Schwenk in Richtung Osten und Unterquerung der Strecke Bingen -Alzey im Bf Ockenheim in die Strecke Gau Algesheim - Bad Kreuznach ein. Die Entfernung Bk Kellergrube - Hin-denburgbrücke - Bk Sarmsheim be­trug 7,83 km, der Streckenast Bk Hin-denburgbrücke - Bk Floß war 0,95 km, der Streckenast Bk Rochusberg - Bf Ockenheim 2,35 km lang.

 

Die Zeit bis zur Zerstörung

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kamen die linksrheinischen Gebiete unter alliierte Besetzung. Auch einige rechtsrheinische Brückenköpfe wur­den besetzt, so z.B. das Gebiet um Wiesbaden. Die Besatzungsmacht be­schlagnahmte die Hindenburgbrücke für den Verkehr ihrer Kraftfahrzeuge und verbot den Eisenbahnverkehr. Um die Brücke mit Autos und Fuhrwerken befahren zu können, wurden zwischen und neben die Schienen Bohlen ver­legt. Erst nach längerer Zeit wurde die Benutzung der Brücke durch einige wenige Züge zugelassen. Ab dem 8. Oktober 1920 gestattete die Reichs­bahn die Benutzung der Brücke durch den zivilen Straßenverkehr, behielt sich jedoch das Recht jederzeitigen Widerrufs vor. Sie erhob für eine Be-fahrung der Brücke mit dem Auto eine für die damalige Zeit respektable Gebühr von 4,- Reichsmark. Trotzdem wurde die Brücke vom gewerblichen Kraftfahrzeugverkehr häufig genutzt. Gegen die Gebührenregelung liefen die regionalen Industrie- und Han­delskammern sowie die betroffenen Gemeinden jedoch Sturm. Ein jahre­langer Papierkrieg mit der Direktion in Mainz und der Hauptverwaltung der DR in Berlin führte aber zu keinem anderen Ergebnis.

Als der Abzug der Besatzung am 30. Juni 1930 bevorstand, prüfte die DR, „inwieweit die Brücke, welche die Deutsche Reichsbahn mit Anlageka­pital und Unterhaltungskosten be­lastete, für dieZwecke des Eisenbahn­betriebs nutzbar gemacht werden könne". Wie Presseberichten zu ent­nehmen war, plante man ab 1. Juli 1930 an Werktagen neun und an Sonntagen zwölf Personenzugpaare auf die Brücke zu legen. Außerdem sollten einige Durchgangsgüterzüge von Rü­desheim aus auf das andere Rheinufer in Richtung Mainz geleitet werden. Letzteres erscheint aus heutiger Sicht nicht ganz verständlich, da man die Kaiserbrücke bei Mainz und die Mainbrücke bei Hochheim in erster Linie gebaut hatte, um den Mainzer Hauptbahnhof von Güterzügen zu ent­lasten. Die gesteigerte Zugzahl führte natürlich zu größeren Sperrzeiten für den Straßenverkehr. Pro Zugfahrt mußte die Brücke für etwa 30 Minuten gesperrt werden. Man rechnete etwa 10 Minuten Fahrzeit, bis ein Fuhrwerk die Brücke passiert hatte. Aus Sicher­heitsgründen mußte die Fahrbahn 15 Minuten vor der Durchfahrt eines Zuges geräumt sein. Für die Zugfahrt wurden nochmals 5 Minuten Fahrzeit veranschlagt. Ab 1. Juli 1930 stand die Brücke zwischen 4.00 Uhr und 21.00 Uhr nur noch für knapp sechs Stunden während elf Zugpausen zur Ver­fügung. Wenn man an eventuelle Zug­verspätungen oder Schlangen vor den Schranken denkt, wurde die Brücken-überquerung zu einer reinen Glücks­sache.

Die Auto- und Straßenlobby faßte die­se Maßnahmen als Kriegserklärung auf. Sie sah ihre liebgewordenen Ge­wohnheiten in Gefahr und verneinte schlichtweg ein allgemeines Bedürf­nis für den Zugverkehr auf der Hinden­burgbrücke. Die Angriffe gegen die Reichsbahn gipfelten in der Forde­rung, den Zugverkehr ganz einzustel­len und die Brückeallein dem Straßen­verkehr nutzbar zu machen. Schließ­lich sei es die Pflicht der Reichsbahn, den seit Jahren angewachsenen Autoverkehr zu unterstützen und nicht zu unterdrücken!

Die Reichsbahn beendete den Streit, indem sie aus Sicherheitsgründen die Brücke für den Straßenverkehr ab 1. August 1930 ganz sperrte.

In der Tat schien die Hindenburg­brücke für den Personenverkehr nur von untergeordneter Bedeutung ge­wesen zu sein. Im Sommer 1938 ver­zeichnete das Kursbuch im Feld 252 f an Werktagen insgesamt elf und an Sonntagen insgesamt 15 Personen­züge (nicht Zugpaare!) über die Brücke, die Mehrzahl davon in der Relation Wiesbaden - Bad Münster am Stein.

Nach 1930 wurden die Zufahrtsstrek-ken zur Hindenburgbrücke weiter ausgebaut. Es erfolgten Baumaßnah­men zur kreuzungsfreien Einfädelung der Strecke aus Richtung Bk Rochus­berg in die Nahebahn. Zu diesem Zweck wurden auf dem linken Nahe­ufer Dämme und eine Brücke zur Überführung eines Gleises über die Nahebahn erbaut.

Während des Krieges wurde eine eingleisige Verbindungskurve von einem Punkt der linken Rheinstrecke zwischen Bingen-Gaulsheim und Gau Algesheim zum Bahnhof Ockenheim gebaut. Diese Kurve gestattete das Befahren der Brücke von bzw. nach Bingen ohne Kopfmachen in Gau Algesheim.

Das Ende der Hindenburgbrücke kam in den letzten Kriegswochen des Jah­res 1945. Bei einem Fliegerangriff auf Bingen am 13. Januar 1945 wurden zwei der fünf linksrheinischen Flutöff­nungen zum Einsturz gebracht. Deutsche Pioniertruppen vollendeten dasZerstörungswerk.Am15. März, als amerikanische Truppen an anderer Stelle bereits den Rhein überschritten hatten und schon tief auf rechtsrheini­sches Gebiet vorgedrungen waren, wurden sämtliche Flußüberbauten gesprengt. Nur noch die Flußpfeiler und einige verbogene Eisenträger und Schienen ragten aus der Wasserober­fläche. Auch die Flutbögen auf dem Rüdesheimer Ufer wurden zum größ­ten Teil zerstört.